Radwegbenutzungspflicht, Radfahrstreifen oder Schutzstreifen in Tempo 30-Zonen

Besondere Radverkehrsanlagen sind bei Tempo 30 nach allgemeiner Auffassung von Experten überflüssig, oft sogar gefährlich [1]. Dies betrifft Radwege, Radfahrstreifen, Schutzstreifen und sonstige Markierungen. In Tempo 30-Zonen sind daher benutzungspflichtige Radwege, Radfahrstreifen, Schutzsstreifen und jegliche weitere Nutzung von durchgezogenen oder unterbrochenen Markierungsstreifen seit 2001-02-01 ausdrücklich in der StVO verboten (§ 45 Abs. 1c). Radfahrstreifen und Schutzsstreifen sind zu entfernen (Markierungen entfernen). Dagegen dürfen Bordsteinradwege als nicht-benutzungspflichtige Wege bestehen bleiben.

Leider hat sich das in einigen Städten und Gemeinden noch nicht herumgesprochen, bzw. es wird von den Straßenverkehrsbehörden vor Ort ignoriert. Doch auch dann gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wirksam dagegen vorzugehen.

Erstmalige Erinnerung

Ansprechpartner ist die zugehörige Straßenverkehrsbehörde (zumeist Ordnungamt oder Gemeindeverwaltung). Häufig hilft schon ein Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter oder ein einfacher Brief als Erinnerung:

In der ...-Straße zwischen ... und ... gibt es einen benutzungspflichtigen Radweg/ einen Radfahrstreifen/ einen Schutzstreifen.

Der Straßenabschnitt ist Teil einer Tempo 30-Zone (Zeichen 274.1 und 274.2). Gemäß § 45 Abs. 1c in der seit 2001-02-01 gültigen Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung dürfen Tempo 30-Zonen nur Straßen ohne benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241)/ ohne Radfahrstreifen (Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237)/ ohne Schutzstreifen (Zeichen 340) umfassen. Bestehende Benutzungspflichten sind demnach aufzuheben. Markierungen von Radfahrstreifen/Schutzstreifen sind zu entfernen. Eine Bestandsgarantie für die Benutzungspflicht von Radwegen/ für Schutzstreifen/ für Radfahrstreifen in Tempo 30-Zonen ist nicht gegeben, sonst wäre sie (wie bei Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger geschehen) explizit formuliert.

Ich gehe davon aus, dass diese Wege bei der 2001 stattgefundenen Überprüfung übersehen wurden.

  • Bitte heben Sie die Benutzungspflicht unverzüglich auf und lassen Sie die Zeichen 237/240/241 entfernen. Optional: Der Radweg kann als nicht-benutzungspflichtiger Radweg fortbestehen. Dazu ist er z.B. durch Fahrradsymbole auf dem Weg als eindeutig für den Radverkehr vorgesehene Verkehrsfläche zu kennzeichnen. Optional2: Statt des Radwegs kann die Verkehrsfläche durch Zeichen&239 und Zusatzzeichen 1022-10 als Gehweg ausgewiesen werden, auf dem Radfahrer mit langsamer Geschwindigkeit fahren dürfen.
  • Bitte heben Sie den Radfahrstreifen unverzüglich auf und lassen Sie die Zeichen 237 und die Markierung mit Zeichen 295 entfernen.
  • Bitte heben Sie den Schutzstreifen auf, indem Sie die Markierung mit Zeichen 340 und eventuelle Fahrradsymbole entfernen lassen.

Bitte teilen Sie mir bis zum ... mit, wie Sie in dieser Sache verfahren werden und bis zu welchem Datum die Änderungen voraussichtlich umgesetzt sein werden.

Eventuell sollte man betonen, dass es nicht darum geht, die Radwege abzuschaffen, sondern deren Benutzungspflicht. Radwege dürfen als "Radwege ohne Benutzungspflicht" (vgl. Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 StVO) bestehen bleiben, die benutzt werden dürfen, aber nicht benutzt werden müssen. Häufig begreifen gerade Lokalpolitiker, aber auch Verwaltungsangestellte diesen Unterschied nicht.

Allerdings spricht wenig dagegen, diese Radwege gänzlich aufzuheben und die Flächen den Fußgängern zurückzugeben. Eigentlich spricht sogar viel dafür, denn auf den meisten dieser Radwege werden Radfahrer (auch und gerade wegen deren Unerfahrenheit die oft zur Begründung herangezogenen Kinder) bei freiwilliger Benutzung gefährdet. In Tempo 30-Zonen existiert i.a. viel Querverkehr aus Einmündungen und Grundstücken. Parkende Fahrzeuge nahe am Radweg und entsprechend Türunfälle sind ein weiteres Problem. Zudem ist die Rechts-vor-Links-Regelung in Zusammenhang mit Radwegen sehr problematisch. Auf der Fahrbahn können Radfahrer bei Tempo 30 sehr gut und sicher fahren. Zugleich werden die Gehwege den Fußgängern zurückgegeben, denen sie oft genommen wurden, um darauf Radwege anzulegen. Fußgänger können sich wieder ungestörter bewegen. Kinder haben mehr Platz zum Spielen. Der Aufenthalt auf diesen Wegen wird wieder möglich (wer steht schon gerne auf einem Radweg herum?). Die Lebensqualität steigt.

Formalrechtliches Vorgehen

Falls ein freundlicher Brief oder ein Gespräch mit der Straßenverkehrsbehörde keine Wirkung zeigt, bleibt der formalrechtliche Weg offen und ist in diesem Fall aufgrund der eindeutigen Rechtslage kein Risiko.

Wenn die erstmalige Betroffenheit (erstmaliges Befahren der Straße) maximal ein Jahr her ist, kann man einen Widerspruch gegen die Anordnung einlegen bzw. Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Dazu mehr unten. Ansonsten hilft ein "Antrag auf Überprüfung und Neubescheidung". Dieser Antrag kann auch hilfreich sein, wenn die erstmalige Betroffenheit weniger als ein Jahr her ist, um der Behörde zu zeigen, dass man es ernst meint. Es empfiehlt sich dann, eine Frist zu setzen, um sich rechtzeitiges anderweitiges Vorgehen offenzuhalten.

Antrag auf Neubescheidung der Benutzungspflicht des Radwegs/Radfahrstreifen/Schutzstreifen in der ...-Straße zwischen ... und ...

Ich beantrage die Überprüfung und Neubescheidung ... Optional: Dazu weise ich auf die Verwaltungsvorschrift zu \S~45 Abs.~3 StVO Abschnitt~IV hin.

Begründung:

In der ...-Straße zwischen ... und ... gibt es einen benutzungspflichtigen Radweg/ einen Radfahrstreifen/ einen Schutzstreifen.

Der Straßenabschnitt ist Teil einer Tempo 30-Zone (Zeichen 274.1 und 274.2). Gemäß § 45 Abs. 1c in der seit 2001-02-01 gültigen Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung dürfen Tempo 30-Zonen nur Straßen ohne benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241)/ ohne Radfahrstreifen (Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237)/ ohne Schutzstreifen (Zeichen 340) umfassen. Bestehende Benutzungspflichten sind demnach aufzuheben. Markierungen von Radfahrstreifen/Schutzstreifen sind zu entfernen. Eine Bestandsgarantie für die Benutzungspflicht von Radwegen/ für Schutzstreifen/ für Radfahrstreifen in Tempo 30-Zonen ist nicht gegeben, sonst wäre sie (wie bei Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger geschehen) explizit formuliert.

Optional: Ich bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid bis zum ...

Falls zunächst keine Frist gesetzt wurde, sollte man nach sechs Wochen nachhaken und eine Frist (konkretes Datum) setzen, z.B. durch "Ich bitte um die Bescheidung bis spätestens zum ... und verweise dazu auf § 75 VwGO."

Im Allgemeinen genügt spätestens dieser Antrag, um ein Einlenken zu bewirken. Sollte wider Erwarten ein ablehnender Bescheid ergehen, kann man dagegen innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen oder direkt vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Widerspruch

Zunächst bleibt zu klären, ob in dem betreffenden Bundesland das Widerspruchsverfahren abgeschafft bzw. eingeschränkt wurde. Dann ist gleich Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Ansonsten muss vorher ein Widerspruch eingelegt werden. Dabei überprüft die übergeordnete Straßenverkehrsbehörde die Rechtmäßigkeit der Anordnung und erlässt einen Widerspruchsbescheid.

Die Frist für einen Widerspruch gegen einen vorangehenden Bescheid ist ein Monat, sofern auf dem Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung vorhanden ist. Ansonsten (z.B. gegen ein Verkehrszeichen, weil darauf keine Rechtsbehelfsbelehrung gedruckt ist) beträgt sie ein Jahr und beginnt mit erstmaliger Betroffenheit (erstmaliges Befahren der Straße) zu laufen. Für viele "Altlasten" in Tempo-30-Zonen ist diese Frist damit demnächst zum 2002-01-31 abgelaufen. Trotzdem kann jeder noch Widerspruch einlegen, der erstmalig vor höchstens einem Jahr durch die betreffende Straße gefahren ist. Oder man stellt einen Antrag auf Neubescheidung, gegen dessen Bescheid man dann vorgehen kann.

Der Widerspruch muss von einer natürlichen Person (kein Verein), die die betroffene Straße möglichst häufig befährt, also "betroffen" ist, an die Straßenverkehrsbehörde eingereicht werden (vgl. auch http://bernd.sluka.de/Radfahren/Novelle/).

Vorlage für einen Widerspruch:

Ich widerspreche der Anordnung der Radwegbenutzungspflicht durch Zeichen 237/240/241/ der Anordnung der Radwegbenutzungspflicht auf dem Radfahrstreifen durch Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen&295/ der Anordnung eines Schutzstreifens durch Zeichen 340 in der ...-Straße zwischen ... und ...

Begründung: Der genannte Straßenabschnitt wird von mir erstmalig seit ... regelmäßig befahren [eventuell Gründe für die Fahrt, z.B. "auf meinem täglichen Arbeitsweg" oder "bei gelegentlichen Ausflügen"]. Dabei bin ich durch die angeordnete Radwegbenutzungspflicht betroffen, indem ich auf dem Radweg/Radfahrstreifen fahren muss, während mir die Fahrbahnbenutzung verboten wird./Ich bin durch den Schutzstreifen betroffen, weil er mir verbietet, mit meinem Auto die gesamte Fahrbahn zu nutzen.

Der Straßenabschnitt ist Teil einer Tempo 30-Zone (Zeichen 274.1 und 274.2). Gemäß § 45 Abs. 1c in der seit 2001-02-01 gültigen Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung dürfen Tempo 30-Zonen nur Straßen ohne benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241)/ ohne Radfahrstreifen (Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237)/ ohne Schutzstreifen (Zeichen 340) umfassen. Bestehende Benutzungspflichten sind demnach aufzuheben. Markierungen von Radfahrstreifen/Schutzstreifen sind zu entfernen. Eine Bestandsgarantie für die Benutzungspflicht von Radwegen/ für Schutzstreifen/ für Radfahrstreifen in Tempo 30-Zonen ist nicht gegeben, sonst wäre sie (wie bei Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger geschehen) explizit formuliert.

Optional: Ich bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid bis zum ...

Auch hier gilt: Falls zunächst keine Frist gesetzt wurde, sollte man nach sechs Wochen nachhaken und eine Frist (konkretes Datum) setzen, z.B. durch "Ich bitte um die Bescheidung meines Widerspruchs bis spätestens zum ... und verweise dazu auf § 75 VwGO."

Falls der Widerspruch nicht zur Abhilfe (Beseitigung der Anordung) führt, ist nun Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich.

Klage vor dem Verwaltungsgericht

In Bundesländern ohne Widerspruchsverfahren muss man gegen eine Anordnung oder einen ablehnenden Bescheid direkt Klage einreichen. Sonst muss zunächst das Widerspruchsverfahren durchgezogen und dann gegen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid geklagt werden. Bei einer solch eindeutigen Rechtslage wie in diesem Fall sollte eigentlich all das gar nicht nötig werden.

Dennoch: Die Klage ist innerhalb eines Monats (ausgenommen direkte Klage gegen Verkehrsanordnungen innerhalb eines Jahres nach erstmaliger Betroffenheit) beim zuständigen Verwaltungsgericht einzureichen und zu begründen. Zur Begründung sollte in diesem eindeutigen Fall ausreichen, was in den obigen Schreiben steht.


[1] D. Alrutz, J. Stellmacher-Hein: Sicherheit des Radverkehrs auf Erschließungsstraßen, Bericht V 37; der Bundesanstalt für Straßenwesen, 1997


Bernd Sluka, 2002-02-18, zuletzt geändert 2013-01-28


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